Der Anatolische Hirtenhund – ein kraftvoller und muskulöser Wachhund

 

Die ehemalige Rasse der Anatolischen Hirtenhunde vereinte ursprünglich sehr unterschiedliche Rasse-Varietäten

 


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Ein anatolischer Hirtenhund vom Schlag Kangal.Der Anatolische Hirtenhund – türkisch Coban Copegi – war ehemals eine bis 2018 von der Fédération Cynologique Internationale (kurz FCI) anerkannte Hunderasse. Unter dieser Rasse fasste man die verschiedenen Hirtenhund-Typen Akbash, Kangal (volkstümlich Karabash genannt) und Kars-Hund zusammen.

Da sich diese verschiedenen Varietäten doch deutlich in ihrem Aussehen unterschieden, löste man am 15. Juni 2018 den Rassestandard des Anatolischen Hirtenhundes auf und veröffentlichte dafür den ersten internationalen Rassestandard des Kangal-Hirtenhunds, der ebenfalls unter der FCI-Standardnummer 331 geführt wird.

Der ehemalige Anatolische Hirtenhund bzw. seine verschiedenen Varietäten und die nun international anerkannte Rasse des Kangals zählen vielerorten zu den Listenhunden, deren Haltung entweder nicht erlaubt oder einer besonderen Genehmigung bedarf.

 

Geschichte und Herkunft des Anatolischen Hirtenhundes

 

Steckbrief Anatolischer Hirtenhund

  • Ursprungsland: Türkei
  • Standardnummer: 331 (heute wird diese Standardnummer dem Kangal zugewiesen)
  • Widerristhöhe: Rüden: 74 bis 81 cm, Hündinnen: 71 bis 79 cm
  • Gewicht: 40 bis 65 kg
  • Verwendung: Hütehund
  • FCI-Gruppe 2: Pinscher und Schnauzer – Molosser – Schweizer Sennenhunde und andere Rassen
  • Sektion 2.2: Molossoide, Berghunde. Ohne Arbeitsprüfung

Aufgrund von Abbildungen auf unterschiedlichen Skulpturen nimmt man an, dass anatolische Hirtenhunde von den großen, doggenartigen Jagdhunden Mesopotamiens abstammen, welche eventuell mit Windhunden gekreuzt wurden. Zu dieser Annahme gesellen sich weitere unterschiedliche Theorien bezüglich der ursprünglichen Herkunft. Eine erste sichere Schilderung eines dem heutigen Anatolischen Hirtenhund ähnlichen Hundes befindet sich in einem Buch aus dem Jahre 1592.

Das Buch berichtet von einer Reise durch die Türkei, wobei man dem Hund den Namen Schwarzkopf gab. Unumstritten ist, dass sich die Anatolischen Hirtenhunde im Laufe der Jahrhunderte ideal an die klimatischen Gegebenheiten anpassen konnte: Entsprechend dem Nomaden- und Hirtenleben können sie enorm große Distanzen problemlos zurücklegen und sich sowohl den trockenen, heißen Sommern als auch den extrem kalten Wintern ihrer Heimat anpassen. Verwendung finden Anatolische Hirtenhunde sowohl als Herdenschutz-, Schutz-, Wach- aber auch als Kampfhunde beim türkischen Militär.

Noch heute leben diese Hunde fast ausschließlich im Freien und finden ihren Arbeitseinsatz unabhängig von Wind und Wetter auf den zahlreichen anatolischen Hochebenen. In der Türkei wird der Kangal, den man heute als eigenständige Rasse führt, und der ehemals als eine Variante der früheren Rasse des Anatolischen Hirtenhundes zugeordnet wurde, als Nationalhund verehrt. Es war früher sogar verboten, Kangals an nicht türkische Bürger weiterzugeben, zudem findet sein Abbild auch heute noch seinen offiziellen Platz auf einer Briefmarke. Bei uns in Deutschland erfreut sich der Kangal, den man aufgrund seiner schwarzen Maske auch Karabash (kara: türk. schwarz, bash: türk. Kopf) nennt, einer wachsenden Beliebtheit.

Der Kangal steht in einigen deutschen Bundesländern auf der Rasseliste der potentiell gefährlichen Hunde. In Hamburg können die Auflagen mittels eines bestandenen Wesenstests außer Kraft gesetzt werden. In Hessen hingegen gilt der Hund als solange gefährlich, bis das Gegenteil amtlich bestätigt wird. Der Import ist untersagt.

Auch im Kanton Tessin, in der Schweiz, ist die Haltung eines Kangals bewilligungspflichtig. Ein ganz besonderes Einsatzgebiet kommt dem Kangal in Namibia zu: Dort wird er indirekt zum Schutz der Geparden-Population eingesetzt, indem er diese davon abhalten soll, das Vieh zu reißen, was wiederum die Farmer davon abhält, die vom Aussterben bedrohten Geparden zu schießen.

 

Unscharfes Rasseprofil führte zur Auflösung als eigenständige Rasse

 

Der Schweizer Kynologe Hans Räber kritisierte schon früh den ehemaligen Rassestandard des Anatolischen Hirtenhundes mit den Worten:

„Der FCI-Standard ist denn auch so abgefasst, dass jeder hirtenhundähnliche Bastard mit einer Schulterhöhe zwischen 71 und 81 cm als Anatolischer Hirtenhund an einer Ausstellung teilnehmen kann.“

Wikipedia

Er verwies auch darauf, dass ein seriöser Züchter niemals einen Kangal mit einem Akbash kreuzen und die Nachkommen als reinrassig bezeichnen würde. Der ursprüngliche FCI Standard des Anatolischen Hirtenhundes entstand in einer Zeit, als es in der Türkei weder kynologische Vereinigungen noch Rasseclubs oder irgendwelche Zuchtbücher gab.

Die FCI schuf den ehemaligen Rassestandard im Jahr 1980 mehr oder weniger willkürlich, als erste Anatolische Hirtenhunde nach Westeuropa exportiert und dort zur Zucht verwendet wurden. Neben Räber kritisierten auch türkische Züchter diesen bis 2018 gültigen Rassestandard und forderten schon frühzeitig eine Revision, die schließlich 2018 zur Schaffung des neuen Standards des Kangal-Hirtenhunds führte.

Fortan forderte auch der Türkische Zuchtverband, dass nur noch Hunde zur Zucht zugelassen sind, die dem aktuellen Kangal Rassestandard entsprechen. Rassepapiere entsprechender Hunde können auf die neu geschaffene Rasse des Kangals umgeschrieben werden.

 
 

Aussehen des Anatolischen Hirtenhundes

 

Bei der FCI wurde der Anatolische Hirtenhund ehemals in die Gruppe 2 – Pinscher und Schnauzer/Molossoide und Schweizer Sennenhund – sowie in die Sektion 2.2 – Molossoide, Berghunde – klassifiziert. Dabei trug er früher die Standardnummer 331, unter der heute der Rassestandard des Kangals geführt wird. Die aus Anatolien in der Türkei stammenden Herdenschutzhunde erreichen eine maximale Widerristhöhe von 86 cm (Rüden), sowie eine minimale Höhe von 71 cm (Hündinnen). Das Gewicht war im ehemaligen Rassestandard mit etwa 40 bis 55 bzw. maximal 68 Kilogramm festgelegt.

Auch wesentlich größere Hunde waren und sind verbreitet. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 10 bis 11 Jahren. Mit ihrem eindrucksvollen Aussehen wirken Anatolische Hirtenhunde kraftvoll und muskulös. Sie besitzen einen relativ großen, breiten Schädel mit dreieckigen, mittelgroßen Ohren, die eine runde Spitze haben. Die weit auseinanderliegenden Augen sind verhältnismäßig klein.

Das meist glänzende, kurze oder auch halblange, dichte und anliegende Deckhaar mit einem ausgeprägten Fellkragen – das im Winter länger ist als im Sommer –  war in nahezu allen Farben vertreten (was wiederum die Fragwürdigkeit des alten Rassestandards bestätigt).  Dabei wurde als Farbe Falb mit einer schwarzen Maske, schwarzen Ohren sowie einem „Kajal-Strich“ um die Augen favorisiert, was dem Aussehen der heutigen Rasse des Kangals entspricht. Die Varietät des Akbash – auch Weißkopf genannt – besitzt hingegen keine schwarze Gesichtsmaske.

Hier eine Kurzbeschreibung der Rassetypen der ehemaligen Rasse des Anatolischen Hirtenhundes:

 
 
  • Der Akbash – Akbash bedeutet so viel wie „Weißkopf“, was nicht nur auf die Farbe seines Haarkleides hindeutet, sondern auch darauf, dass keine schwarze Maske vorhanden ist. Man vermutet eine enge Verwandtschaft mit dem ungarischen Hirtenhund, dem Kuvasz. Dieser Typ wurde anfänglich sowohl als Herdenschutzhund und als Jagdhund gebraucht. Er ist hochläufiger sowie leichter als der Kangal, dabei kann er sowohl langhaarig als auch stockhaarig sein. In der Türkei werden Hunde dieses Typs unter der Bezeichnung Akbash Coban Köpegi als eigenständige Rasse geführt, die auch heute nicht von der FCI anerkannt ist. Genetisch gesehen unterscheidet sich der Akbash erheblich vom Kangal.
  • Der Kangal – (volkstümlicher Name: Karabash, was soviel wie „Schwarzkopf“ bedeutet) Der Name dieser ehemaligen Varietät des Anatolischen Hirtenhundes (und des seit 2018 als eigene Rasse international anerkannten Hundes) kann von der herrschaftlichen und noch heute einflussreichen Familie Kangal, die in der Provinz Sivas beheimatet ist, abgeleitet werden. Die Zucht wurde und wird von dieser Familie schon seit Jahrhunderten betrieben. Da der Kangal seinen Ursprung aus der Zucht genau jener einzigen Familie hat, gilt er als reinrassig. Im Gegensatz zum Akbash ist sein Fell graubraun. In der Türkei erfreut sich der Kangal eines hohen Ansehens: So ist sein Abbild gleich auf zwei Briefmarken verewigt und die Ausfuhr dieses Hundes durch Nicht-Türken untersagt. Die Zucht des Kangals wird in Deutschland zumeist von türkischen Immigranten betrieben. 
  • Der Kars-Hund – Der weniger bekannte Kars-Hund, auch Kafkas genannt, was übersetzt Kaukase bedeutet, kommt außerhalb seiner Heimat – dem Nordosten der Türkei – so gut wie gar nicht vor. Seinen Namen erhielt er von eben diesem Verbreitungsgebiet. Erstmals beschrieben wurde er Ende des 20. Jahrhunderts. Auch er wird in der Türkei als eigene Rasse anerkannt.
 

Wesen, Charakter und Erziehung des Anatolischen Hirtenhundes

 


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Anatolische Hirtenhunde sind sehr wachsam und brauchen eine konsequente Erziehung.Anatolische Hirtenhunde gelten als mutig, ausdauernd, stolz, sehr intelligent, ausgeglichen, ruhig, schnell und wendig. Fremden gegenüber reagieren sie eher misstrauisch und wachsam, ihrem Besitzer gegenüber jedoch fühlen sie sich sehr verbunden.

Wie es sich für einen Herdenschutzhund gehört, ist er besonders bei Dunkelheit sehr wachsam und handelt extrem selbstständig. Letzteres führt jedoch dazu, dass er häufig dominant und zeitweise sogar enorm eigensinnig ist. Im Umgang mit seinen Artgenossen ist er aufgrund seines ausgeprägten Beschützerinstinkts nicht ganz unproblematisch. 

Das alles verlangt nach einer überaus konsequenten Erziehung, die mit einer möglichst frühen Sozialisierung beginnen sollte. Ein Anatolischer Hirtenhund gehört nicht in die Hände eines Anfängers.

Trotz seines stattlichen Erscheinungsbildes und seines grundsätzlich sehr dominanten Wesens hat der Anatolische Hirtenhund, bzw. der Kangal, eine hohe Reizschwelle, was jedoch nicht heißt, dass er sich bei einem Angriff oder eine gegen ihn gerichtete Aggression nicht entschlossen wehren wird.

 

Auslauf, Pflege und Haltung des Anatolischen Hirtenhundes

 

Anatolische Hirtenhunde sind sehr anspruchsvoll was Pflege und Auslauf anbelangt. Sie haben einen enorm großen Bewegungsdrang, daher ist genügend Auslauf in einem großen Garten neben den täglichen längeren Spaziergängen ein unbedingtes Muss. Keinesfalls gehört dieser Hund in eine enge Stadtwohnung.

Allen Rasseschlägen gemein ist die große Geschwindigkeit und Ausdauer, die diese Hunde an den Tag legen können. Anatolische Hirtenhunde sind keine Familien- und Begleit-, sondern Herdenschutzhunde und bedürfen neben dem Auslauf auch verschiedener anspruchsvoller Aufgaben, da sie sich ansonsten schnell zu Problemhunden entwickeln können.

Bezüglich der Pflege ist anzumerken, dass das Fell regelmäßig gebürstet werden sollte. Während des Fellwechsels muss man die Fellpflege deutlich intensivieren.

 

Häufig gestellte Fragen zum Anatolischen Hirtenhund

 
 
Was ist der Unterschied zwischen einem Kangal und einem anatolischen Hirtenhund?

Bis 2018 wurde der Kangal als Varietät der Rasse des Anatolischen Hirtenhundes zugewiesen. Da das Rasseprofil des Anatolischen Hirtenhundes sehr unscharf war, entschloss sich die FCI 2018 die typischen Rassemerkmale des Kangals in einen eigenständigen Rassestandard zu überführen und somit den Kangal als eigenständige Rasse anzuerkennen und nicht mehr als Varietät des Anatolischen Hirtenhundes zu führen. Das hatte auch zur Folge, dass heute keine offizielle Rasse mehr mit dem Namen „Anatolischer Hirtenhund“ existiert. 

Ist der Kangal auch als Familienhund geeignet?

Nur sehr bedingt. Kangals sind äußerst selbstständig handelnde Herdenschutzhunde, die am liebsten das Bewachen großer Viehherden übernehmen. Sie sind es gewohnt, große Distanzen zurückzulegen und kommen mit widrigsten Witterungsbedingungen zurecht. Zudem sind sie besonders dominant und brauchen einen Halter, der über viel Erfahrung verfügt und den Hunden als Rudelführer den nötigen Respekt vermittelt. Für Familien mit Kindern sind die energiegeladenen Hunde eher nicht geeignet. Außerdem ist die Haltung des Kangals bzw. ehemaligen Anatolischen Hirtenhundes in einigen Bundesländern streng reglementiert.